PRÜFFELD SPORT


Eine Analyse in Verbindung mit den Wartburgerfolgen im Jahr 1970


Rallyes sind Zuverlässigkeitsfahrten, bei denen im wesentlichen Sportfahrern und serienmäßig gefertigten Automobilen sowohl im normalen Straßenverkehr als auch auf polizeilich abgesperrten Sprintstrecken bestimmte Aufgaben gestellt werden. Dabei gibt es bezüglich der Fahrzeuge sowie auch der Piloten eine Vielzahl von Variationen. Bei den großen internationalen Rallyes findet man sowohl das reine Serienfahrzeug ohne jegliche Verbesserungen als auch das ausgesprochene Sportinstrument in der Serienhülle, wo noch nicht mal mehr die Rohbaukarosse - ich denke hier beispielsweise an die englischen Werks-Escort von der Firma Ford - mit dem vom Band laufenden Wagen identisch ist, von der technischen Ausrüstung mal ganz abgesehen. Dazwischen gibt es entsprechend den zulässigen Möglichkeiten des Anhanges J des internationalen Sportgesetzes der FIA die vielfältigsten Möglichkeiten der Verbesserungen und Veränderungen. Analog dazu variieren auch die Qualitäten und Voraussetzungen der Fahrer vom hochhonorierten professionellen Werkspiloten bis zum Privatfahrer, der unter großen persönlichen Entbehrungen für sich und seine Familie alles selbst finanziert, ohne überhaupt eine reelle Chance auf eine Plazierung in den vordersten Rängen zu haben.
Bezüglich der Durchführung der großen Rallyes werden in der Regel auf der Zuverlässigkeitsstrecke den Fahrern und Copiloten vor allem Orientierungsaufgaben gestellt, während bei den Sonderprüfungen die Fahrzeuge bis an die Grenze ihres Leistungsvermögens belastet werden. Auch hier gibt es extreme Veranstaltungen, die, wie beispielsweise die Tour de Belgique, Straßenrennen gleichen, wo schon die geringste Zeitverspätung an der Kontrolle den Ausschluß aus der Wertung bedeutet. Es gibt aber auch Rallyes, wo ausschließlich die Sonderprüfungen entscheiden. Die typischste Veranstaltung dieser Art ist die "Rallye England", wo die Zeiten auf der Zuverlässigkeitsstrecke so bemessen sind, daß ein Großteil dessen, was auf den 82 Sonderprüfungen unter härtesten Streckenbedingungen - auf Morast-, Schlamm-, Stein- und Geröllpisten - zerschrotet wurde, wieder repariert werden kann.
Aber eines haben alle großen internationalen Rallyes gemeinsam: die unwahrscheinliche Publikums- und Werbewirksamkeit! Aus diesem Grund sind auch in den letzten Jahren immer mehr Automobilfirmen dazu übergegangen, sich direkt werksseitig an den großen internationalen Rallye-Veranstaltungen zu beteiligen beziehungsweise Privatfahrern durch materielle und technische Unterstützung größere Erfolgschancen einzuräumen. Neben dem rein technischen Interesse - die Belastung der Rallye-Fahrzeuge bis an Grenzwerte für Mensch und Material, die weder im normalen Straßenverkehr noch im harten Versuchsbetrieb auftreten - sind hier vor allem auch die rein kommerziellen und werbetechnischen Auswirkungen der Rallye-Beteiligung für den Verkaufserfolg eines Fahrzeugs von ausschlaggebender Bedeutung. Die Fabrikate, die sich unter diesen extremen Bedingungen gegenüber der Konkurrenz bewähren und durchsetzen, müssen auch im täglichen normalen Fahrbetrieb sicher und zuverlässig sein.
Außerdem erfolgt die Beteiligung unserer Werks-Sportabteilungen an den großen internationalen Veranstaltungen unter Berücksichtigung nationaler lnteressen. Die DDR ist ein führender Industriestaat. Das erfolgreiche Abschneiden unserer Fahrzeuge bei den großen Automobilsportveranstaltungen, vor allem im nichtsozialistischen Ausland, legt nicht nur Zeugnis ab von den Qualitäten des Wartburg 353 und dem Können seiner Fahrer, sondern vor allem vom hohen Stand der technischen Entwicklung unseres Staates und außerdem von der Qualität der DDR-Erzeugnisse. Deshalb wirken sich auch die bei den Motorsportveranstaltungen erzielten Erfolge nicht nur auf das Automobilverkaufsgeschäft aus, sondern auch auf das anderer technischer Erzeugnisse, die die DDR exportiert.
Auf Grund der über das Normalmaß hinausgehenden Beanspruchungen und Fahrbedingungen bei den Rallyes gehen die Wettbewerbsfahrzeuge nicht nur sorgfältig vorbereitet an den Start, sondern weisen auch gegenüber den Serienmodellen - innerhalb der durch die Sportgesetze der FIA fixierten Grenzen - Verbesserungen vor allem bezüglich Motorleistungen, Fahreigenschaften und der technischen Ausrüstung auf, die jeweils den neuesten Erkenntnissen auf diesen Gebieten entsprechen. Daß diese Verbesserungen und Änderungen nach Bestehen ihrer sportlichen Feuertaufe im Rallye-Einsatz den Serienfahrzeugen und damit den Teilnehmern im täglichen Straßenverkehr zum Großteil zugute kommen, ist ganz selbstverständlich. So wurden beispielsweise beim Wartburg 353 wesentliche Elemente der letztlich beim 50-PS- Motor durchgeführten Leistungssteigerung im Rallye-Betrieb unter härtesten Bedingungen jahrelang getestet, verbessert und weiterentwickelt. Das gilt vor allem für die verbesserte Kurbelwelle mit vollen Hubscheiben, die ja gerade beim Zweitaktmotor das wichtigste Bauteil darstellt und am sorgfältigsten konstruiert und getestet sowie gefertigt werden muß. Dabei blieben auch beim Einsatz dieser Bauelemente in den Gruppe-Il-Fahrzeugen Rückschläge nicht aus. Fakt ist aber, daß gerade durch die gesammelten Rallye-Erfahrungen die Überleitung des 50-PS-Motors in die Serienfertigung relativ kurzfristig und nahtlos erfolgen konnte und dieser Motor auf Anhieb sowohl leistungsmäßig als auch bezüglich Standzeit und Kraftstoffverbrauch ein voller Erfolg für das Eisenacher Werk wurde. Noch deutlicher offenbaren sich die Schrittmacherdienste des Rallyesportes bei der Entwicklung der technischen Ausrüstung der Automobile. In den langen zu durchfahrenden Nächten der Veranstaltungen unter meistens ungünstigsten Witterungsbedingungen wie bei Regen und dichtem Nebel ist eine hochwirksame Beleuchtungsanlage von ausschlaggebender Bedeutung und der Schlüssel zum Erfolg. Deshalb wurden auch unsere Rallyefahrzeuge mit den neuentwickelten Halogenscheinwerfern bestückt. Heute besteht die Standardausrüstung auch der privaten Wettbewerbswagen aus zwei Halogen-Nebelscheinwerfern und zwei Halogen-Weitstrahlern, wobei letztere bis jetzt noch nicht für den normalen Straßenverkehr in der DDR zugelassen sind. Die Halogen-Nebelscheinwerfer und -Weitstrahler wurden vom VEB Fahrzeugelektrik Karl-Marx-Stadt und später vom Kombinot Fahrzeugelektrik Ruhla entwickelt, und bereits in der Entwicklungsphase erfolgte eine sehr enge Zusammenarbeit der Entwicklungsstellen mit der Sportabteilung des Automobilwerks Eisenach. Das gleiche galt bezüglich der neuen Halogenlampen, für die der VEB NARVA Plauen verantwortlich zeichnet. Hier war besonders bei den Funktionsmustern, die noch nicht die genügende Brenndauer aufwiesen, das Risiko groß, denn jeder Glühlampenwechsel kostete wertvolle Zeit.
Noch größer war das Risiko in der Entwicklungsphase der 500-Watt-Wechselstromlichtmaschinen, die wegen der höheren Leistungsaufnahme der Halogenscheinwerfer in Verbindung mit der größeren Anzahl der Lichtquellen ganz einfach verwendet werden mußten. Dazu kam noch der Vorteil der Masseeinsparung von 1,8 kg. Hier wurden von unseren Wettbewerbsfahrzeugen die ersten Funktionsmuster mit all ihren Schwächen und Mängeln gefahren und in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsbetrieb - den, VEB Fahrzeugelektrik Karl-Marx-Stadt - gemeinsam die Schwächepunkte beseitigt. Dabei standen wir oft vor der Wahl, im Hinblick auf die Zuverlässigkeit doch lieber auf die konventionelle Lichtmaschine zurückzugreifen. Unsere Fahrer wollten aber auf keinen Fall die ganz offensichtlichen Vorteile der Wechselstromlichtmaschinen als Voraussetzung für ein gutes Licht während der langen Nebelnächte missen. Sie gingen lieber das Risiko eines Wechsels bei einem Ausfall während der Veranstaltung ein. So kamen beispielsweise Otto/Strehlow bei der Tour de Belgique" 1968 wegen Ausfall der Wechselstromlichtmaschine aus der Wertung. während unsere anderen drei Wettbewerbsfahrzeuge den Klassensieg und die nächsten zwei Plätze aus dem Feuer rissen. Ohne Halogenscheinwerfer und Wechselstromlichtmaschinen wäre dieser Sieg bei den Straßenrennen durch Belgien während der beiden Nebelnächte nicht möglich gewesen. Erfolge - besonders im RallyeSport - lassen sich eben nur erringen, wenn man bereit ist, sowohl technisch als auch fahrerisch Risiken einzugehen!
Sehr vielseitig ist die Zusammenarbeit der Sportabteilung mit dem Versuch und der Konstruktion des eigenen Werkes und den vielen Zulieferbetrieben, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann, obwohl hier sehr viel Detailarbeit geleistet wird, die ganz einfach dazu gehört.
Sehr gut hat sich die Festlegung bewährt, daß jedes Jahr vier neue Wartburg 353 für die Sportabteilung unmittelbar aus der Serie entnommen und als Rallye-Fahrzeuge hergerichtet werden. Dadurch wird die laufende unmittelbare Verbindung mit der Serienfertigung gewährleistet und dabei gleichzeitig eine zusätzliche Kontrollmöglichkeit geschaffen, falls sich unkontrolliert Mängel in die Produktion einschleichen. Daß in der Produktion sofort Maßnahmen eingeleitet und die technologischen Abläufe narrensicher gestaltet wurden, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.
Aber nun zur Sportsaison 1970, die die Rallye Monte Carlo als berühmteste, härteste und schnellste Rallye der Welt wie alljährlich einleitete. Sie war im letzten Jahr nicht nur mit 222 Nennungsabgaben die zugkräftigste Veranstaltung für alle Rallyefahrer der Welt, sondern gleichzeitig auch die bedeutendste Verkaufswerbung der Automobilhersteller des Kontinents und der überseeischen Länder, die in ganz Europa mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wurde. Durch die Teilnahme von 21 Staaten war sie gleichzeitig der größte internationale Treffpunkt der Industriestaaten im Automobilsport, was noch durch die Anwesenheit zahlreicher Repräsentanten der Industrie und der Automobilverbände unterstrichen wurde.
Bedingt durch das Scratch-Wertungssystem, auf das mein Kollege Lothar Sachse schon ausführlich einging, hat bei der "Monte" nur das hubraum- und damit leistungsstärkste Fahrzeug eine Chance, auf einen der vorderen Plätze im Gesamtklassement zu kommen. Für die Wagen der niedrigeren Hubraumkategorien geht es hier vor allem um eine gute Plazierung in der Klasse gegen eine zwar harte, aber zumindest basisgleiche Konkurrenz, wobei ein Klassensieg am Sonnenstrand der Cote d'Azur beinahe so viel wiegt wie in manchen anderen Motorsportdisziplinen die Erringung eines Europachampionats.
Nach dem Ausfall von Culmbacher/Strehlow (Bruch des Winkelhebels am Schaltgestänge und dadurch Oberschreitung des 30-Minuten- Zeitlimits) und von Hommel/Bork durch Schwungscheibenschaden konnten hier Gries/Würfel den dritten Wartburg gegen ein starkes Feld noch auf einen vielbeachteten dritten Platz steuern.
Erreichten bei der Rallye Monte Carlo noch 30 Prozent der Starter das Ziel, so sollte die Rallye DDR unter extremsten Witterungsbedingungen infolge des lang anhaltenden Winters des vergangenen Jahres zu einer Rallyeschlacht werden, die bisher in der Geschichte des Tourenwagensports unserer Republik einmalig ist. Einmalig war hier auch der Eisenacher Wartburg-Triumph durch den Gesamtsieg von Peter Hommel/Günter Bork gegenüber stärkster Konkurrenz bei diesem Europameisterschaftslauf.
Von 113 gestarteten Besatzungen erreichten nur 11 das Ziel in Wertung, darunter noch ein zweiter Wartburg auf Platz 4 im Gesamtklassement, der damit gleichzeitig auch noch Klassensieger wurde. Der dritte Wartburg beendete zwar als Zwölfter die Fahrt, wurde aber infolge geringfügiger Zeitüberschreitung von nur 2 Minuten bei der über fünfzigstündigen Fahrt - mit hervorgerufen durch einen Überschlag im Schneesturm auf dem Rennsteig - noch nachträglich aus der Wertung genommen. Diese drei Wartburg im Parc ferme im Berliner Sportforum - gezeichnet und schmutzverkrustet von der fast 2500 km langen erbarmungslosen Strapaze - setzten bei dieser 10. Pneumant-Rallye neue Maßstäbe bezüglich Zuverlässigkeit und Qualität.
Die folgenden Wettbewerbe im Ausland, die "Tulpen-Rallye" in Holland und die "Semperit-Rallye" in Österreich, brachten neben einem Unfall gute Plazierungen in der Klasse, während zur "Internationalen Rallye Sachsenring" erstmalig bei dieser Veranstaltung durch Culmbacher/Ernst ein Gesamtsieg herausgefahren werden konnte. Da hier nur zwei Wettbewerbswagen am Start waren und Gries/ Würfel bereits zu Beginn durch einen Unfall auf dem Sachsenring ausschieden, konzentrierte sich die gesamte Eisenacher Regie und Betreuung auf diese einzige Trumpfkarte, die schließlich auch stach.
Fahrzeugabnahme bei der Semperit-Rallye
Fahrzeugabnahme bei der Internationalen Semperit-Rallye 1970 in Österreich.


Bei den Europameisterschaftsläufen in der CSSR und Polen war bisher für unsere Wartburg immer etwas "drin", so auch diesmal Klassensieg und vordere Plätze in der Klassen- und Mannschaftswertung. Das gleiche gilt für die "Rallye Finnland" und "München- Wien-Budapest", wobei es gerade in Finnland auf Grund der Besonderheiten der Strecken für uns Mitteleuropäer immer sehr schwer ist, gute Plätze zu belegen. Um so mehr zählt hier der Sieg der DDR-Nationalmannschaft - zusammengesetzt aus Wartburg- und Trabant-Teams.
Erstmalig seit Jahren gab es keinen Gesamt- sieg bei der "Rallye Wartburg". Wir waren uns nicht erst in diesem Jahr darüber im klaren, daß wir nicht jede "Hausveranstaltung" gewinnen können. Unser Bestreben ist es vor allem, eine Veranstaltung zu bieten, die alle Elemente einer modernen Rallye beinhaltet.
Mit 127 Anmeldungen aus der DDR und dem Ausland wurde bei der "XIII. Internationalen Rallye Wartburg" ein Nennungsrekord erreicht, der einmal mehr demonstriert, welche wachsende Anziehungskraft diese unverwechselbar profilierte DDR-Veranstaltung besitzt. Favoriten waren in Eisenach einige sehr starke Teams aus Dänemark, dessen Automobilclub hier seinen letzten Lauf zur Dänischen Rallye-Meisterschaft austrug. Aber nicht die Dänen waren es, aus deren Reihen der Gesamtsieger kam, obwohl Kenneth Grom zu seiner dreizehnten Veranstaltung in der DDR, zur XIII. Wartburg-Rallye mit Start-Nr. 13 von seinem Gesamtsieg am Start überzeugt war, sondern der kleinste Wagen im Feld, der Werks-Trabant unter Asmus/Sachse kam zum verdienten und durch nichts zu schmälernden Erfolg. Die "Heimniederlage" der Wartburg-Werksequipe bahnte sich bereits an, als in der ersten Nacht im Neuschnee in den Höhenlagen des Thüringer Waldes zwei Werks-Wartburg herausflogen. Während Hommel/Bork ihr Fahrzeug an einem meterdicken Baum vollkommen zertrümmerten, kamen Culmbacher/Ernst von dem gerammten Kilometerstein wieder frei, verloren dabei aber so viel Zeit, daß sie für eine Plazierung ganz vorn nicht mehr in Frage kamen.
Resümierend kann jedoch festgestellt werden, daß der Rallye-Einsatz 1970 für das Eisenacher Werk sehr erfolgreich war. Bei insgesamt 35 Fahrzeugeinsätzen in 11 großen internationalen Veranstaltungen wurden zwei Gesamtsiege, sechs Klassensiege und sieben zweite Plazierungen herausgefahren. Außerdem errangen die Eisenacher Fahrerpaare durch eine gute kollektive Leistung noch in den Mannschaftswertungen zwei erste und 10 zweite Plätze, wobei die DDR-Nationalmannschaft bei einigen Veranstaltungen aus Wartburg- und Trabant-Fahrzeugen gebildet wurde.
Culmbacher-Strehlow bei Rallye Großbritannien 1970
Die Eisenacher Werksbesatzung Culmbacher/Strehlow auf dem Kurs des Europameisterschaftslaufs der Rallye Großbritannien 1970.


Bei nur drei Ausfällen wegen technischer Schäden und einer Herausnahme aus der Wertung wegen Zeitüberschreitung am Ziel waren wieder vier Unfälle mit erheblichem Sach-, aber ohne nennenswerten Personenschaden zu verzeichnen.
Bezüglich der Besetzung der Wettbewerbswagen gab es während der Saison einige Schwierigkeiten. Durch das Ausscheiden von Kurt Rüdiger als Aktiver mußten neue Fahrerpaare zusammengestellt werden. Bezüglich des Nachwuchses haben wir in einem Betrieb mit über 8000 Beschäftigten, in dem Autos gebaut werden, keine Schwierigkeiten. In der Versuchsabteilung wartet eine ganze Reihe von jungen Leuten, die schon mit Clubfahrern Rallyes bestritten oder sich bereits in den Vorausfahrzeugen der Versuchsabteilung bei unseren großen internationalen Rallyes ihre Sporen verdient hat, nur auf ihre Berufung in die Sportabteilung. Schwierig ist es hier, die Teams zusammenzustellen, die in allen Berührungspunkten - dienstlich und privat - hundertprozentig harmonieren. Das ist die Grundvoraussetzung für die Erreichung optimaler Leistungen.
Aus dem in der Saison 1969 so erfolgreichen Fahrerpaar Culmbacher/Strehlow gingen zwei neue Teams hervor, wobei aus verschiedenerlei Gründen, zum Teil mit hervorgerufen durch äußere Einflüsse, auch bei den anderen Paaren etwas experimentiert werden mußte. Werner Ernst, der als neuer Mann in die Sportabteilung aufgenommen wurde, hat sehr gut eingeschlagen und wird in der Saison 1971 als Copilot von Egon Culmbacher eingesetzt. Bernd Malsch fährt mit Wolfgang Strehlow. Die anderen Teams bleiben in der bisherigen Besetzung, also Peter Hommel/Günter Bork und Günter Gries/Harald Würfel.
Wartburg-Tourist der Eisenacher Sportabteilung
Ausschlaggebend für einen Erfolg bei den großen internationalen Veranstaltungen ist die Gewährleistung einer lückenlosen Betreuung der Wettbewerbsfahrzeuge. Die beiden Wartburg-Tourist der Eisenacher Sportabteilung sind mit allem ausgerüstet, was zur Versorgung der Fahrer und Wagen gehört.


WARTBURG-RALLYE-EINSATZ 1970
VeranstaltungFahrerpaarPlazierung
Ges./ Kl.
FahrerpaarPlazierung
Ges./ Kl.
FahrerpaarPlazierung
Ges./ Kl.
FahrerpaarPlazierung
Ges./ Kl.
Platz
Mannschaftswertung
Monte Carlo
16.-29.1.1970
Hommel
Bork
AusfallGries
Würfel
67./ 3.Culmbacher
Strehlow
Ausfall---
Rallye DDR
18.-22.3.1970
Hommel
Bork
1./ 1.Gries
Würfel
Außer
Wert.
(Zeitüber-
schreitung)
Culmbacher
Urban
AusfallStrehlow
Malsch
4./ 2.-
Tulpen Rallye
3.-9.5.1970
Hommel
Bork
18./ 3.Gries
Malsch
19./4.Culmbacher
Strehlow
20./ 5.--2.Platz Fabrikm.
Semperit Rallye
28.-30.5.1970
Hommel
Bork
UnfallGries
Malsch
37./ 2.Culmbacher
Strehlow
41./ 3.---
Rallye Sachsenring
18.-20.6.1970
--Gries
Würfel
UnfallCulmbacher
Ernst
1./ 1.---
Rallye CSSR
3.-5.7.1970
Hommel
Bork
28./ 2.Gries
Würfel
16./ 6.Culmbacher
Ernst
11./ 3.Strehlow
Malsch
Unfall2. Platz Fabrikm.
2. Platz Nationalm.
Rallye Polen
16.-19.7.1970
Hommel
Bork
9./ 1.Gries
Würfel
25./ 3.Culmbacher
Ernst
23./ 2.--2. Platz Fabrikm.
2. Platz Nationalm.
Rallye Finnland
21.-24.8.1970
Hommel
Bork
36./ 5.Gries
Würfel
29./ 4.Culmbacher
Malsch
30./ 5.--1. Platz Fabrikm.
2. Platz Nationalm.
München-Wien-Budap.
1.-3.10.1970
Hommel
Bork
22./ 4.Gries
Würfel
24./ 2.Culmbacher
Malsch
18./ 1.--2. Platz Fabrikm.
2. Platz Nationalm.
Rallye Wartburg
22.-24.10.1970
Hommel
Bork
havárieGries
Würfel
5./ 1.Culmbacher
Ernst
32./ 4.Strehlow
Malsch
4./ 2.1. Platz Fabrikm.
2. Platz Nationalm.
Rallye England
14.-18.11.1970
Hommel
Malsch
35./ 3.Gries
Würfel
32./ 1.Culmbacher
Strehlow
34./ 2.--2. Platz Fabrikm.
Horst Ihling
(Illustrierter Motorsport 2/71)



RALLYE PISTEN


RAC Rallye 1978

Bei der "VIII. Internationalen RaIlye du Condroz" mit Start und Ziel in Huy in der Nähe von Brüssel erreichten von den 137 Startern nur 37 das Ziel. Ursache waren die widrige Witterung mit Nebel, Regen, Schnee und Eisglätte sowie eine Strecke, die sehr schwer zu fahren gewesen ist. Innerhalb der 840 km waren allein 43 Geschwindigkeitsprüfungen über eine Gesamtdistanz von 632 km eingebaut, die sowohl auf engen kurvenreichen Asphaltstraßen als auch auf Schotter- und Schlammstrecken zu absolvieren waren.
Obwohl zahlreiche renommierte Pkw-Firmen und Marken vertreten waren, konnten sich die Eisenacher Werks-WARTBURG, die alle in den Hubraumkategorien bis 1300 cm³ starteten, durch je einen Klassensieg in der Gruppe 1 und 2 und einen 4. Platz ganz hervorragend plazieren.
Solche und ähnliche Meldungen konnte man in den letzten Jahren oft lesen, hören oder sehen. Was verbirgt sich hinter dem Eisenacher RalIye-Einsatz? Welche Motive gibt es für eine derartige Sportbeteiligung?


Rallye-Erfahrungen für Serienfahrzeuge
Die Automobilbauer in den Produktionsstätten unterhalb der Wartburg waren schon immer dem Motorsport sehr eng verbunden. Bereits um die Jahrhundertwende nahm man mit dem ersten "WARTBURG-Motorwagen" erfolgreich an Automobilrennen teil. Auch das nach dem zweiten Weltkrieg volkseigen gewordene Werk beteiligte sich am Motorsport. Die Formel II- Rennwagen und 1,5-Liter-Rennsportwagen des damaligen AWE-Rennkollektives zählten von 1953 bis 1956 zu den schnellsten der Welt.
Da man im Automobllwerk Eisenach aber seit jeher versuchte, Erfahrungen aus dem Automobilsport in das Serienprodukt einfließen zu lassen, löste man 1956 das AWE Rennkollektiv auf. Die Rennsportwagen waren zwar international sehr erfolgreich, aber es bestanden keinerlei Verbindungen und damit Nutzungsmöglichkeiten mehr zu den Wagen, die von den Fließbändern liefen.
So konzentrierte sich ab 1956 die Sportbeteiligung ausschließlich auf die Teilnahme an großen internationalen Rallyes in Europa. Hier haben die Erfolge nicht nur dazu beigetragen, daß der Name "WARTBURG" zum Begriff für Leistungsfähigkeit, hohen Gebrauchswert und Zuverlässigkeit wurde, sondern diese erfolgreiche Sportbeteiligung hat auch wesentliche Akzente für die Weiterentwicklung dieses Fahrzeugtyps gesetzt.
Schon die Festlegungen im Rahmen des internationalen Reglementes der FIA-Sportgesetze, einmal in der Gruppe 1 "Serientourenwagen" zu starten und zum anderen die "verbesserten Tourenwagen" in der Gruppe 2 (s. Tabelle) einzusetzen, eröffneten dem Werk die Möglichkeit, Veränderungen am Triebwerk und dem Fahrwerk noch vor der Serieneinführung im unerbittlichen Sporteinsatz zu testen. Diese Verbesserungen an den Rallyefahrzeugen wirken sich natürlich für die Serienfahrzeuge aus.

Fahrerpaar Heitzmann-Frommann bei der RAC Rallye 1978

Erfolg verkauft sich gut


Neben der rein technischen Bedeutung spielt die kommerzielle eine mindest ebenso wichtige Rolle, da Sporterfolge bei schweren internationalen Rallyes die Popularisierung und damit den Verkauf des Serienerzeugnisses stark beeinflussen. Denn im unerbittlichen Wettbewerb werden die Rallyewagen Belastungen und Prüfungen ausgesetzt, die im herkömmlichen Versuchsbetrieb und Straßenverkehr nie auftreten. Genau deshalb wird das Fabrikat, das sich unter diesen extremen Bedingungen bewährt und durchsetzt, auch für den Kunden im normalen Fahrbetrieb sicher, zuverlässig und interessant sein.

Nachtetappe
Nachtfahrten stellen hohe Anforderungen an die Konzentration von Fahrer und Copilot.

Temperaturunterschiede von 75 °C


Die Strecken- und Witterungsbedingungen sind bei den Rallye-Veranstaltungen in Europa sehr unterschiedlich. Da sind die mit vielen Sprunghügeln und Wasserhindernissen durchsetzten Schotterstrecken in den Wäldern Mittelfinnlands zur "Rallye der 1000 Seen", die extremen Temperaturen bei der Rallye "Russischer Winter" mit tiefem Schnee, Außentemperaturen teilweise bis -35 °C und die Hitzeschlachten in Griechenland rund um die Acropolis bei über 40 °C.
Doch auch unter diesen extremen Bedingungen haben sich unsere Fahrer international immer durchsetzen können. Sie brachten nicht nur wertvolle Erfahrungen und technische Erkenntnisse mit nach Hause, sondern auch sportliche Erfolge, deren Bilanz für die Qualität von Mensch und Material spricht: 412 Gold-, 171 Silber- und 136 Bronzemedaillen, 28 Gesamtsiege, 187 Klassensiege, 35 Siege als Fabrikmannschaft und 28 Siege als Nationalmannschaft.



Anforderungen an Fahrer und Copilot


Natürlich haben sich im Laufe der Jahre der Charakter und die Anforderungen im Rallyesport geändert. Konnten sich früher noch Fahrer und Copilot bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gegenseitig ablösen, so ist das heute aufgrund der weitestgehenden Spezialisierung nicht mehr möglich. Obwohl Fahrer und Copilot ihr Fahrzeug aus dem "ff" beherrschen und auftretende Schäden sofort richtig analysieren, erkennen und kurzfristig ohne fremde Hilfe beseitigen müssen, haben beide ganz wichtige spezifische Funktionen zu erfüllen. Den Fahrer zeichnet beispielsweise das Beherrschen des Fahrzeugs in Grenzbereichen aus (nur durch sehr viel Fahrtraining erlernbar), während der Copilot ein gutes Orientierungsvermögen besitzen und voll konzentriert unter allen Fahrbedingungen seinen Fahrer nach der Karte und dem Bordbuch dirigieren muß. Da kann man unterwegs nicht mehr wechseln.


Eine Seite aus dem Bordbuch zur Rallye Wartburg

Eine Seite aus dem Bordbuch zur Rallye Wartburg, Fur die Sprintprüfungen auf abgesperrten Strecken werden praktisch die gleichen Symbole verwendet. Nur ermittelt man hier noch die höchstmöglichen Geschwindigkeiten. Das sieht dann beispielsweise so aus: "200 m bis zur nächsten Rechtskrümme 3. Gang voll" oder "Spitzkehre 180 m, bis auf den ersten Gang runter".    Fotos: Werkfotos



Weg von Mammut-Rallyes


Reduziert wurden inzwischen aufgrund der weltweiten Energieverknappung Rallye-Mammutveranstaltungen wie beispielsweise die Rallye England über 5000 km in 5 Tagen und 5 Nächten. Heute pegeln sich die großen internationalen Veranstaltungen immer mehr auf Distanzen unterhalb 1000 km ein, wobei die Hälfte der Strecken abgesperrt ist und Sprintprüfungen dient. Hierbei geht es um die Höchstgeschwindigkeit beim Fahren. Nicht selten werden auf diesen Abschnitten die Gesamtsieger ermittelt.

Unterscheidungsmerkmale der Wartburg Rallyefahrzeuge zum Serienprodukt:
Gruppe 1 - "Serientourenwagen":
- Ausnutzung des oberen Toleranzbereiches hinsichtlich der Motorleistung
- Rallye-Sonderzubehör wie SpeedPilot (Meßinstrument zur Kontrolle der Durchschnittsgeschwindigkeit), Trippmaster (Wegzählwerk auf l0 m genau, mit dem man durch Knopfzug z.B. am Abzweig sofort löschen und neu zu zählen beginnen kann), Elektronik-Stoppuhren, zusätzliche Innenbeleuchtung
- körpergerecht geformte GFP Schalensitze mit integrierten Kopfstützen
- Hosenträger-Sicherheitsgurte
- Sicherheits-Überrollbügel bzw. Überrollkäfig innerhalb des Karosserie-Innenraumes
- Leichtmetall-Felgen Fünfzoll in Verbindung mit Sportbereifung bis zur Reifengröße 185/70 R 13
- vier Halogen-H 3-Zusatzscheinwerfer (Nebelscheinwerfer und Weitstrahler).
Gruppe 2 - "Tourenwagen"
- alle Zusatzausttu wie bei ,, "Serientourenwagen", dazu noch zusätzlich:
- Dreivergasermotor mit Leistung von etwa 105 bis 109 PS
- Zusatzkühler vorn im Frontmittelteil
- Fünfganggetriebe
- Spurverbreiterung vorn und hinten
- negativer Sturz vorn und hinten
- Rahmenverstärkungen
- Gewichtserleichterungen an der Karosserie durch:
  • Piacryl-Scheiben seitlich und hinten,

  • Wegfall der Kurbelapparate (vorn Schiebefenster),

  • GFP-Kotflügel und -Mittelteil vorn,

  • GFP-Stoßstangen,

  • Motorhaube und Kofferdeckel aus Leichtmetallblech,

  • Entfall von Verstrebungen und Verstärkungen;
- Bordsprechanlage mit eingebauten Mikrofonen und Kopfhörern in den Integral-Sturzhelmen.

Dipl.-Ing. Horst Ihling
JUGEND+TECHNIK
9/1982



Tourenwagen - Wettbewerbe als Profilierungsfeld für Wartburg 353

Bericht aus Zeitschrift "Wartburg Signale" Sonderheft 1984:


Ab IV.Quartal 1965 produzierte der Betrieb das Baumuster 312. Es handelte sich um einen Zwischentyp, der den Übergang zu einem grundlegend neuen Eisenacher PKW - Modell ankündigte. Dessen Entwicklung zielte darauf ab, bei konsequent fortgesetzter Wartburg - Charakteristik erhöhte und vielfältiger werdene Ansprüche an das moderne Automobil über eine von vornherein programmierte längere Produktionsdauer hinweg zu erfüllen. Unter diesen generellen Vorgaben ging planmäßig ab 1.Juli 1966 der Wartburg 353 in Serie.Entsprechend der schon am 311 markant herausgearbeiteten Wartburg - "Formel", nämlich in der unteren Hubraum - Mittelklasse einen Wagen mit überdurchschnittlich hohem Gebrauchswertniveau, zumal hinsichtlich Geräumigkeit und Komfort, in Verbindung mit sorgfältig ausgewogener Gesamtwirtschaftlichkeit zu bieten, wurde für den Typ 353 bewußt spezifischen Konzept ausgegangen. Als eine maßgebende Hauptbaugruppe fungierte das Dreizylinder - Zweitaktmotor - Fronttriebwerk, zunächst noch 45 PS aus 1000 cm³ leistend. Die dauerhafte Aufbau - Stabilität absichernde Rahmenbauweise wurde beibehalten. Die Neukonstruktion des Fahrwerks richtete sich auf optimale Fahreigenschaften und hohen Fahrkomfort. Die ebenfalls vollkommen neue Karosserie gewährleistete vor allem abermals ein enorm großes Angebot an Platz und Bequemlichkeit. Diese knappe Skizzierung vom 353er Technik - Status und seiner hauptsächlichen Orientierung scheint hier wichtig zum objektiven Verständnis des Eisenacher Rallyeeinsatzes ab 2.Halbjahr 1966 - und bis heute! Oder anders ausgedrückt: Als viertüriger Fünfsitzer - PKW mit 525 Liter Heckkofferraum und weiteren Pluspunkten für Alltagsbetrieb ließ der Wartburg 353 dort beträchtliche Vorteile erwarten, aber gerade wegen solcher Attribute wohl kaum Lorbeer in den immer härter und zu Spezial - Disziplinen werdenden Wettbewerben.


Culmbacher-Malsch, Rallye 1000 jezer 1970

Bald jedoch wurden seitens der AWE - Sportabteilung herkömmliche Entweder / Oder - Ansichten widerlegt und überzeugende Eindrücke von universeller Fahrzeugqualifikation herbeigeführt. Beispielsweise, um nur auf ein paar technische Details einzugehen, kann durch den 353er Sporteinsatz zum Ausdruck, daß relativ weiche, im Alltags - Fahrbetrieb also sehr angenehme Federung durchaus mit einwandfreier Straßenlage in einklang zu bringen ist und daß mit normalerweise klar überlegenem Frontantrieb sowie großformatiger Karosserie und vergleichsweise schwererer Bauweise auch unter stark benachteiligenden Traktionsbedingungen, etwa auf Schotter am Berg, Sprintstrecken Bestzeiten zu fahren sind. Wie sonst hätten durchgängig die Erfolge mit dem Wartburg 353 erzielt werden können. Die im Reglement - Rahmen für Spezialausführungen schon auf etwa 90 PS getunten Gruppe 2 Werkswagen zeigten die im 353er Normalmotor steckenden Reserven an Leistung und Standfestigkeit auf. Und immer wieder erwies sich in extrem schweren Wettbewerben, von der Rallye Monte Carlo und Acropolis Rallye über die Rallye 1000 Seen in Finnland bis zur britischen RAC Rallye, die Zuverlässigkeit aller Teile. Bei allgemein sehr hohen,mit zunehmendem Härtegrad ansteigenden Ausfallquoten (z.B.1973 bei der Rajd Polski 67:3 und der XVI.Internationale Rallye Wartburg 122:20) beliefen sich die Ausfälle im 353er Wettbewerbseinsatz durchschnittlich und mit den nicht technisch bedingten auf nur knapp 25 Prozent.Den hervorragenden und über erstklassig hinausgehenden Stand geforderter Eigenschaften des Wartburg 353 belegten vollends die Siege und ausgezeichneten Plazierungen der AWE Werkswagenequipe in den Wertungen von Fabrik - und Nationalmannschaften. Weitere Tatsachen und effektiv meisterhafte Ergebnisse auf Wettbewerbssektoren, die von der Eisenacher Sportabteilung absichtlich sowie einfach aus Kapazitätsgründen nicht bestritten und daher allein in - und ausländischen Clubfahrern mit dem Eisenacher Fabrikat überlassen wurden, rundeten schließlich das Gesamtbild vom Wartburg 353. Dazu gehört auch sein konkret begründetes Image als ausgeprägt sportlicher Typ.




Wartburg - Automobile weiterhin ausgezeichnet im Rallyesport vertreten

Bericht aus Zeitschrift Wartburg Signale Sonderheft 1984:


Mit dem Serienanlauf des Wartburg 353 W im März 1975 realisierte der VEB Automobilwerk Eisenach den Schritt zur jüngsten Wartburg - Generation. Der Zusatz W, in der heutigen Modellreihe die Grundausführung benennend, stand für 353er Weiterentwicklung vor allem auf dem Gebiet aktiver Sicherheit. Auch anschließend erfolgten durch fortgesetzte Modellpflegemaßnahmen ständige Typ - Optimierung. Bereits im ersten Produktionsjahr des 353 W gab es bei Anstritten zu 12 Rallyes 14 Klassensiege und 4 Mannschaftssiege. Daß mehr Klassensiege verbucht als Rallyes gefahren wurden, ist kein Widerspruch, sondern erklärt sich aus einem sehr wesentlichen und strikt durchgehaltenen Eisenacher Teilnahme - Prinzip. Die Sportabteilung brachte zu den Veranstaltungen von den maximal eingesetzten vier Wagen stets zumindest ein Gruppe 1 Fahrzeug an den Start, einem Wartburg 353 W in völliger Technik - Identität mit dem täglich vom Endmontageband laufenden 1000 cm³ Serienwagen. Bezeichnend ist, daß auf diese ein bzw. zwei Serienwagen neben Klassensiegen auch zusammen mit den Eisenacher Gruppe 2 Tourenwagen (die in den letzten Jahren als Wartburg 353 WR das Hubraumlimit von 1150 cm³ ausschöpften, aber bei diversen Wettbewerben sogar in die Klasse bis 1600 cm³ einstuft wurden), mehrere Mannschaftssiege der AWE - Equipe entfallen. Der enge Rahmen des vorliegenden Sport - Report läßt nun freilich keinen ausführlichen Bericht über alle Einsätze ab 1975 zu, allenfalls einige Ausschnitte von den nach wie vor zwischen Moskau und Atlanikküste und vom Polarkreis bis zur Adria angelegten Aktionen.


Eberhard Uth bei der Rallye Soyuz 1985


Da war beispielsweise die Saison 1978 und zu ihr seien auch gleich noch ein paar Einsatzbedingungen skizziert. Über vereiste Passstraßen führte die Jugoslawien Rallye, die drei Wartburg 353 W kamen alle an vorderste Stelle ins Ziel. In Griechenland herrschten Außentemperaturen um 40°C, als die Acropolis Rallye das Teilnehmerfeld von 160 auf 38 reduzierte, die AWE - Equipe jedoch komplett das Ziel erreichte und u.a. die 2.Plätze bei den National - sowie den Fabrikmannschaften belegte. Bei der 1066 km langen Rallye Tatra betrug die Ausfallquote 81:7, das Wartburgteam wurde zweitbeste Fabrikmannschaft. Die schwere Materialschlacht auf 3200 km zur britischen RAC Rallye, Finale der 1978er Rallye WM, beendeten die vier Wartburg Besatzungen mit dem 4. und 5. Platz bei den Serientourenwagen bis 1300 cm³, dem 5. und 7.Platz in der Spezialtourenwagenklasse bis 1600 cm³ und dem geradezu sensationellen Platz 2 im Gesamtklassement der Fabrikteams. Und als die Rallye Russischer Winter abgewinkt wurde, auch mit Wartburg Klassensieg, zeigte das Thermometer -40°C. Eine erneute Stabilisierung der Eisenacher Rallye - Technik, bezogen vor allem auf Belastbarkeit, zeichnete sich 1980 ab. Bei 31 Einsätzen wurden bloß fünf technische bedingte Ausfälle registriert. Die so erhöhte Konkurrenzfähigkeit ergab eine relative Steigerung der Plazierungen auf Wartburg 353 W bzw. WR, u.a. mit hervorragendsten Resultaten bei der Rallye Jugoslawien und der belgischen Rallye du Condroz. 1981 ging der vom VEB Automobilwerk Eisenach gestiftete und seit 1975 alljährlich bei der Internationale Rallye Wartburg ausgefahrene "Wanderpokal der besten Fabrikmannschaft der Automobilindustrie der Sozialistischen Länder" endgültig in Wartburg - Besitz. Das Jahr 1983 begann für die AWE - Equipe mit dem ersten Einsatz in Spanien und dort gleich, zur Rallye du Race, mit dem aufsehenerregen den Wartburg Sieg auf einem 1000 cm³ Serienwagen in der Klasse bis 1300 cm³. Dann auch wieder Wartburg - Triumph durch Sieg in der 1150 cm³ sowie Sieg und 2.Platz bei den Wagen bis 1300 cm³ im 2264 km WM Lauf Rallye Acropolis mit ihren 46 Geschwindigkeitsprüfungen über 843 km und der Ausfallquote 137:36. Klassensieg sowie 4. und 6.Platz und Fabrikmannschaftssieg bei der zur EM zählenden Jugoslawien Rallye gehörten ebenfalls zu weiteren und äußerst eindrucksvollen Ergebnissen im vorigen Jahr.




Fakten und Funktionen vom AWE - Sporteinsatz im Großen und Ganzen

Bericht aus Zeitschrift Wartburg Signale Sonderheft 1984:


Seit dem Frühjahr 1954 bis zum Spätherbst 1983 erzielte die Sportabteilung des VEB Automobilwerk Eisenach bei internationalen Rallyes auf dem europäischen Kontinent 199 Klassensiege, 28 Siege im Gesamtklassement, 67 Siege als Fabrik - oder Nationalmannschaft sowie 445 Goldmedaillen, 174 Silber - und 137 Bronzemedaillen. Angesichts der Trends im modernen Rallyesport ist dies ein außerordenlich hervorragendes Ergebnis. Darüber hinaus jedoch resultiert eine weitere Bilanz zu Form, Inhalt und Wartburg - Komplexität des AWE - Sportengagements. Die Zeiten klassischer Rallyestrukturen gingen bereits während der fünfziger Jahre zu Ende. In der Konkurrenz namhafter PKW - Hersteller traten große Tourenwagenwettbewerbe als Leistungsbeweise gewissermaßen die Erbschaft früherer Grand Prix Rennen an. Die sogenannte Scratch - Wertung (keine Unterscheidung mehr nach Hubraum und Tuningstufe im Gesamtklassement) trat in Kraft und mit ständig wachsendem Anteil von Bestzeit - Sprintprüfungen wurden die Rallyes entscheidend zu reinen Geschwindigkeitsdisziplinen über lange Distanzen. Hochrüstung in jeder Hinsicht kannzum Tragen, von eigens in geringer Stückzahl gebauten Gruppe 4 Autos über Besetzung mit Weltklassepiloten bis zu immensem Serviceaufwand. Das ab 1982 geltende neue Technik - Reglement verhinderte nicht ein erneutes Ausufern. Derzeit befinden sich Spezialcoupes im Rallyewettbewerb, deren Turbolader oder Kompressormotoren etwa 260 kW (350 PS) leisen, Allradantrieb scheint obligatorisch zu werden und bei neuesten Projekten läuft die Leistung schon auf die 375 KW Marke zu. Hundertschaften von Mechanikern betreuen die von Helikoptern aus dirigierten Star - Teams, in die jeweils Millionenbeträge investiert sind. Gegenüber derartiger kompromißlos in WM - und EM Liga ausgetragenen Operationen, mit denen sich die AWE Equipe übrigens auch 1984 wieder bei zumindest sechs der acht geplanten Rallyes (angefangen zur spanischen Rallye Costa Blanca und endend im Novermber zur Rallye du Condroz in Belgien) konfrontiert sieht, standen und stehen die mit vergleichsweise bescheidenstem Aufwand betriebenen AWE - Sport - Aktionen stets in unmittelbarem Zusammenhang mit der Eisenacher Automobilbaubasis.


Entwicklungsbeiträge: Die Wartburg - Sportaufgebote enthielten konsequent stets absolut oder weitgehend serienmäßige Fahrzeuge. Die Tatsachen des ständigen Serienwageneinsatzes wurde bereits erwähnt. Aber auch die eingesetzten Wartburg 353 WR, denen Dreizylinder Zweitaktmotoren nach bisherigen Gruppe 2 Reglement 1983 rund 83 kW (110 PS) leisteten, beruhten in sämtlichen Baugruppen auf dem technischen Konzept des Serientyps. Ab 1984 nun ist die Wartburg Rallyetechnik ausschließlich auf seriennahe Ausführung nach Vorschriften der neuen Gruppe A konzentriert. Hier liegt der Leistungspegel der mit serienmäßigem Vergaser bestückten Motoren bei 60 kW (80 PS). Die Orientierung auf Serienmäßigkeit minimierte zwar Gesamtklassenment - Erfolgsaussichten, lieferte jedoch gleichzeitig die besten Voraussetzungen, die Rallyeaktionen fortwährend mit der Wartburg Weiterentwicklung zu synchronisieren. Forderungen aus dem Sporteinsatz wurden an die Serienausführung herangetragen. Bei den Überleitungsmaßnahmen ergänzten die in Rallyes gewonnenen Erfahrungen, was durchaus auch wörtlich zu werten ist,die wirtschaftlich und technische Versuchserprobung. So sind maßgehende Neu - und Weiterentwicklungen sowie Baugruppen - Optimierung in der Wartburg - Typenreihe mit aus vielen tausenden Rallye - Kilometern hervorgegangen.



Sport und Alltag: Im unerbittlichen Wettbewerb werden die Rallyewagen Belastungen und Prüfungen ausgesetzt, die im normalen Versuchsbetrieb und Straßenverkehr nie auftreten. Daher wird das Fabrikat, das sich unter diesen Bedingungen bewährt und durchsetzt, auch für den Kunden im täglichen Fahrbetrieb sicher und zuverlässig sein. Diese im Prinzip allgemeingültige Feststellung, getroffen vor Jahren vom AWE Betriebsdirektor, kennzeichnet insbesondere einen weitern Aspekt des Eisenacher Automobilsport - Engagements. Die ausgezeichneten Ergebnisse und Demonstrationen von Leistungsvermögen, Fahreigenschaften und Zuverlässigkeit der Wartburg Automobile erbrachten überzeugende Werbe - und Verkaufsargumente, zumal die interessierte Öffentlichkeit und potentielle Kundenkreise von den gezielt nach Schwerpunkten im Wartburgexport ausgewählten und bestrittenen Rallyes (fast alle freilich anspruchsvollste WM - und EM Läufe) wahrnehmen konnten, daß da keine Superfahrzeuge, sondern Gebrauchswagen auf Großserienbasis erfolgreich konkurrierten. Entsprechend waren und sind Reaktionen und Schlußfolgerungen, auch wenn sie sich natürlich nicht, wie die Sportergebnisse der AWE - Equipe oder die Exportquoten selbst, in Zahlen konkret registrieren lassen.


Motivation des Kollektivs: Von Einsatz und Resultaten der Sportabteilung geht rückkoppelnd noch ein Mobilisierungs - und Effektivitätsfaktor aus zu vielen Arbeitsplätzen im Werk. Bei Auslandsaktionen oder gar wenn alljährlich zur Internationale Rallye Wartburg die Mehrheit aller Betriebsangehörigen den Wettbewerb sozusagen vor der eigenen Haustür begeistert verfolgt, immer sprechen die Eisenacher Automobilwerker von "unseren" Wagen und "unseren" Fahrern. Diese ebenso vollauf berechtigte wie stolze Gleichsetzung charakterisiert jenen inneren Verbund, der keineswegs zuletzt mit stimulierend wirkt auf Leistung und Qualität in der Wartburg - Produktion.







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